Das Adrenalin schießt in den Kopf, das Herz pumpt, der Schweiß fließt in die Augen. Der letzte Hagel von Fäusten ist abgewehrt, Zeit zum Gegenschlag. Die Deckung links ist offen, ein schneller Haken gefolgt von einem kraftvollen Tritt in den Oberschenkel. Treffer. Jetzt strauchelt er – die Dominanz für diesen Kampf ist hergestellt.
Wir befinden uns nicht in einer Gosse bei einem verbitterten Streetfight sondern im Fitnessstudio. Kickboxen und abgewandelte Formen sind unter anderem auch in Deutschland zu echten Trendsportarten geworden. Seit dem in den vergangenen Jahren intensiv am Image von Kampfsportarten gearbeitet wurde und das Interesse an allgemeiner Fitness gestiegen ist prägen sich in allen Städten Vereine aus und selbst Fitnessstudios bieten zunehmend Kickboxkurse an.
Unter Namen wie „Skyboxing“, „Damenboxen“, „Fitness-Boxing“ oder ähnlichen finden sich Sportarten, die auf Kickboxtechniken basieren. Hierbei geht es dann aber meistens weniger um den eigentlichen Kampf, als vielmehr um die Ausdauer und das ganzheitliche Training aller Muskelgruppen. Durch die Mischung aus Kicks und Schlägen so wie gute Beinarbeit und Bewegung kann die Sportart durchaus als „rundum-sorglos Paket“ gesehen werden. Ausdauer, Kraft und Gelenkigkeit werden ausführlich behandelt.
Back to the roots
Was macht jedoch die „Urversion“ des Kickboxens aus, inwiefern unterscheidet sie sich von anderen Sportarten?
Der Grundgedanke kommt aus dem Versuch traditionelle Kampfsportarten aus dem fernen Osten auf Wettkampfbasis zu vereinen. Die Trainingsmethoden gleichen wohl am meisten dem Muay Thai. Der größte Unterschied zur thailändischen Nationalsportart liegt hauptsächlich in den unterschiedlichen Regeln, was Treffer mit Ellbogen und Knien angeht. Beim Thaiboxen ist das nämlich ausdrücklich erlaubt, was natürlich zu einer deutlich höheren Brutalität führt. Wahrscheinlich nicht zuletzt deswegen ist das „gesittetere“ Kickboxen in Deutschland deutlich verbreiteter.
Was die genauen Regeln angeht ist eine allgemeine Definition schwer zu fassen. Weltweit gibt es mehrere konkurrierende Verbände mit unterschiedlichen Regelwerken. Unterschiede gibt es beispielsweise bei Tritten auf den Kopf und in den Oberschenkel; diese sind nicht immer erlaubt. Auf Angriffe von hinten und gegen am Boden liegende Gegner wird jedoch einheitlich verzichtet.
Im Ring stehen
Warum es sich lohnt auch ohne Weltmeisterschaftsambitionen noch mit dem Kampfsport anzufangen? Ganz einfach: der Erfolg stellt sich unglaublich schnell ein. Nach dem Erlernen der Grundtechniken und einigen Trainings mit gelegentlichen „Sparring-“ (also freies Kämpfen) Runden macht sich ein bemerkbarer Unterschied gegenüber Neueinsteigern bemerkbar.
Geschlechtsunabhängig und auch unabhängig von der Körperstatur bringen Technik und das Gefühl für den Kampf enorme Vorteile. Das musste ich selbst in einem der ersten Trainings schmerzhaft von einer zierlichen Blondine beigebracht bekommen. Ein Jahr Kickboxerfahrung Vorteil reichten ihr, um mich als eigentlichen Leistungssportler ganz schön alt aussehen zu lassen.
Schnelligkeit und Ausdauer sind bei dem Sport alles. Die meisten Kämpfe werden durch schlechte Krafteinteilung entschieden. Die Runden gehen 2-4 Minuten. Das mag vielleicht nicht viel klingen aber nach einem Angriff und ein paar Gegenschlägen geht den meisten Anfängern bereits die Puste aus. Dann klingt der Schlussgong nach einer gefühlten Ewigkeit wie Musik in den Ohren. Hält man aber länger durch als der Gegner wird es zunehmend leichter Treffer zu setzen. Im Training wird dabei auf Aggression verzichtet, die Sorge vor wütenden Hau-Drauf Typen kann also beruhigt bei Seite gelegt werden. Darauf achten die Trainer selbstverständlich mit besonderem Augenmerk, da das Verletzungsrisiko möglichst gering gehalten werden soll.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es sich um einen allumfassenden Sport handelt, bei dem schnelle Erfolge erzielt werden können und das Bild von Streetfights unter brutalen Stiernacken für Kickboxen heute definitiv veraltet ist.
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