Capoeira
Ich wollte nur tanzen – plötzlich hatte ich ein blaues Auge.
Aber es war geil!
Einfach mal was Neues ausprobieren. Vielleicht ein Tanzkurs? Aber etwas mit Action. So waren zuerst meine Gedanken.
Es macht wirklich sau Spaß.
Anstrengen? Aber Hallo!
Zum Ende konnte ich mein T-Shirt auswringen und der Schweiß lief regelrecht am Spiegel der Turnhalle herunter. Aber was ist Capoeira überhaupt, wovon rede ich hier eigentlich?
Was ist die Kampfkunst Capoeira?
Capoeira ist eine brasilianische Kampfkunst, die gleichzeitig Kampf und Tanz ist.
Ja wat denn nu? Tanz oder Kampf?
Ne, ne – das war schon richtig: tanzen und kämpfen! Dazu kommen noch Singen und Instrumente spielen.
Wie bitte?
Kaum vorstellbar. Aber man macht natürlich nicht alles gleichzeitig – und irgendwie doch. Genau diese Kombination aus Bewegung, Musik, Akrobatik und Kultur macht Capoeira so einzigartig.
Doch um das zu verstehen, müssen wir einmal in die Vergangenheit reisen – quasi zu den Ursprüngen des Capoeira.
Die Ursprünge des Capoeira
Wie so oft entstehen interessante kulturelle Neuheiten durch soziale Missstände marginalisierter Gruppen. So wie Hip-Hop oder Jazz.
Nun befinden wir uns im 18. Jahrhundert in Brasilien. Menschen werden von Afrika nach Brasilien verschleppt – um als Sklaven auf den Plantagen zu arbeiten. Die afrikanischen Sklaven in Brasilien bringen Teile ihrer Kultur mit: Tänze, Trommeln, afrikanische Rhythmen und Bräuche.
Die Situation ist natürlich alles andere als rosig. Diese Menschen beginnen zu trainieren, um sich im Ernstfall gegen ihre Unterdrücker verteidigen zu können. Doch das dürfen sie in Zeiten der Sklaverei natürlich nicht. Capoeira wurde als Tanz getarnt. Während in der Mitte zwei Capoeiristas „spielten“, bildete außen eine Gruppe einen Kreis – die Roda. Wer hätte bei diesem Anblick schon gedacht, dass hier eine Luta, also eine Kampfform, trainiert wird? So wurde die Mischung aus Kampfkunst und Tanz geschaffen, also ein Kampftanz.
In den 1930er Jahren gab Mestre Bimba der Bewegung mehr Struktur. Er entwickelte Capoeira Regional – schneller, dynamischer, sportlicher. Zu den Tritten aus verschiedenen Kampfkünsten und Kampfsportarten wurde die Ginga mit eingeführt, die Grundbewegung beim Capoeira. Der Capoeirista Mestre Pastinha hielt dagegen die traditionelle Linie des Capoeira Angola am Leben. Die Formen existieren bis heute nebeneinander und bilden die beiden Hauptstile. Capoeira Angola und Capoeira Regional unterscheiden sich besonders in der Geschwindigkeit. Je nach Region gibt es verschiedene Stile, sodass sich in Rio de Janeiro, Salvador da Bahia oder Recife eigene Schulen mit ihren eigenen Sequenzen etabliert haben. Über die Jahre entstanden auch verschiedene Rhythmen wie Benguela oder São Bento Grande.
Capoeira ist eine afro-brasilianische Ausdrucksform, die aus Widerstand entstanden ist. Rhythmus, Kreativität, Koordination, Beweglichkeit werden in eine spielerische, tänzerische Form gebracht. Kraft und Ausdauer werden hier im Spiel mit dem Gegner gefordert.
Capoeira heute
Heute findet man Capoeira nicht nur in Brasilien sondern weltweit. Capoeira ist mehr als ein Kampfsport – es ist Kultur, Gemeinschaft, Musik und pure Lebensfreude.
Wer Capoeira regelmäßig trainiert, nimmt auch an einem Batizado teil – einer Art „Taufe“ für Capoeira-Spieler, bei der sie ihre erste Kordel (cordão) erhalten.
Musik und Instrumente
Ein wichtiger Bestandteil von Capoeira ist die Musik. In der Bateria (der Band) werden verschiedene Instrumente gespielt – allen voran das Berimbau, das Leitinstrument. Daneben gibt es die Atabaque und das Pandeiro. Das Zusammenspiel erzeugt ein besonderes Rhythmusgefühl, das die Bewegung der Capoeiristas lenkt.
Gesungen wird auf portugiesisch bzw. dem brasilianischen portugiesisch, welches seinen eigenen Klang hat. Wer also tiefer in die Kultur eintauchen möchte kommt nicht an der brasilianischen Sprache vorbei. Die Lieder erzählen Geschichten zur Sklaverei, afrikanische überlieferungen und indigene Weisheiten. Aber keine Angst vor dem Singen, der Chor singt dem Mestre meißt nur den Refrain nach. Schwirgkeitsgrad: Fußballlieder (auf portugisisch). Schwieriger wird für manche das gleichzeitige Klatschen im Rhythmus der Battaria.
Das Capoeira Training
Wie sieht das Capoeira Training aus? Durch die Lautstärke, den meist schnellen Rhythmus und die akrobatischen Bewegungen entsteht eine besondere Atmosphäre, die eher an eine Party als an einen Kampf erinnert. Man findet sich währenddessen oft kopfüber, im Handstand, schaut durch seine Beine oder dreht eine Pirouette, die Bewegungen sind sehr vielfältig und wer kann darf auch einen Salto machen. Das Spiel in der Roda fordert also die Beweglichkeit, Koordination, Kraft und Ausdauer.
Übrigens habe ich mir das blaue Auge in der Umkleide zugezogen.
Noch völlig ergriffen von all den Eindrücken bin ich verträumt durch die Umkleide, während sich grade jemand energisch aus seinem klebrigen T-Shirt pellt und boing war der Ellbogen in meinem Gesicht.
Wer also Angst hat sich ernsthaft beim Capoeira zu verletzen, dem kann ich hier ein bisschen Milderung verschaffen. In der Regel wird Capoeira fast Kontaktlos ausgeführt.
Wie das?
Die Capoeirista, also die Kontrahenten sagen sie „spielen“ Capoeira „Jogar Capoeira“. In der Roda wird gesungen, geklatscht und gelacht und vor allem „gespielt“ nicht gekämpft und dennoch geht es neben dem Spaß auch ums Gewinnen. Man versucht dem Anderen spielerisch seine Überlegenheit zu beweisen. Wie beim Schach wird der Gegner taktisch in die Enge getrieben und wie beim Poker versucht man den Anderen hinters Licht zu führen. Neulinge werden sanft in das Zusammenspiel eingeführt und gute Capoeiristas gehen auf das Level ihres Gegenspielers ein. Aber na klar, wir reden hier von Kampfsport. Das ein oder andere „blaue Auge“ kann man sich auch hier zuziehen.
Was definitiv vorprogrammiert sein wird, ist Muskelkater und das an Stellen von denen man vorher dachte, dass es sie gar nicht gibt. Vor allem im Gesicht, vom Lachen. Denn singen, tanzen und herumspringen macht auf jeden Fall viel Spaß.
Capoeira Techniken
Überwiegend wird Capoeira als Kampfkunst bezeichnet und innerhalb der Capoeira gibt es verschieden Techniken. Ginga ist die Grundbewegung, eine Art sich widerholender Tanzschritt. Aus dieser Bewegung heraus werden alle andern Bewegungen ausgeführt. Es gibt Tritte, Ausweichbewegungen, Rasteiras (Beinfeger), Fintas mit denen Tritte angedeutet werden um den Gegner zu täuschen (also eine Finte) und Floreos das sind akrobatische Bewegungen die den Gegner dann völlig verwirren so wie Helikoptero oder Macaco und natürlich alles in Kombinationen und dem Zusammenspiel mit dem Gegener.
Fazit
Capoeira ist eine brasilianische Kulturform, die Tanz, Kampf, Musik und Gemeinschaft verbindet.
Ob in Bahia, Recife oder bei uns im Fitnessstudio – Capoeira bleibt eine lebendige Verbindung aus Akrobatik und Kultur, Geschichte und Leidenschaft.
Und wer einmal in der Roda stand, der weiß: Dieses Jogo, dieses „Spiel“, steckt voller Energie, Freude – und manchmal eben auch einem blauen Auge.