Es ist 3 Jahre her als Marco Reus der Kragen platzte und dem Reporter sagte, „Ihr immer mit eurer Mentalitätsscheiße“. Verständlich, da die Frage nach der Mentalität jedes Mal gestellt wird, wenn es 2 Spiele in Folge keine 3 Punkte für den Borussia Dortmund gibt. Als Fan stimmte man dem zu, und hätte es dem Journalisten am liebsten selbst gesagt. Aber ist die Frage berechtigt? Wenn ja, gilt das für alle, oder nur für einzelne Spieler? Und wieso wird gefühlt immer die Mentalität des BVB so großem Maße infrage gestellt? Auch noch über 3 Jahre nach besagtem Interview.
Sicher gibt es auch andere Mannschaften in der Bundesliga, die ein paar Spiele gewinnen, und dann wieder 2 vermeintlich einfachen Gegnern Punkte schenken, oder?
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Was ist das Mentalitätsproblem?
Was ist gemeint, wenn Borussia Dortmund ein „Mentalitätsproblem“ unterstellt wird? In erster Linie bedeutet es, dass das Team vom Kopf her nicht an die eigenen Fähigkeiten glaubt, und sich nicht zutraut, das Spiel zu gewinnen. Das kann bei einem einzelnen Spieler anfangen, der sich nicht traut, einen riskanten Pass zu spielen, um eine Torchance zu kreieren. Diese Verantwortung, wird dann einem anderen Mitspieler zugeschoben, der sich aber dann ebenfalls nicht traut besagten Pass auszuführen. Und so entstehen dann Momente, die eine verunsicherte Mannschaft zeigen.
Dann obliegt es dem Kapitän, sein Team anzutreiben, mit gutem Beispiel voranzugehen, und dadurch von der Möglichkeit des Sieges zu überzeugen. Das setzt allerdings voraus, dass zumindest der Kapitän vom Potenzial der Mannschaft überzeugt ist, und den Sieg vor Augen hat. Wenn dieser mental ebenfalls nicht stark genug ist, ist das Spiel so gut wie verloren. Und auch der Coach kann von der Seitenlinie nicht viel ausrichten. Aber trifft das wirklich auf Borussia Dortmund zu?
Wo liegt das Problem bei Borussia Dortmund?
Zuerst sollte klar sein, dass wohl niemand infrage stellt, ob Marco Reus gewinnen will. Wenn man so oft verletzt ist, will man jede wertvolle Minute auf dem Platz nutzen, um zu gewinnen. Vielmehr wird er als Kapitän gefragt. Als Kapitän einer Mannschaft, die regelmäßig 18- bis 20-jährige Talente in der Startformation hat, gemischt mit erfahrenen Spielern, wie z.B. Mats Hummels. So mischen sich große Talente mit großer Erfahrung, und dieses Konzept ist bei vielen Teams erfolgreich gewesen. Besonders hervorzuheben ist hier der FC Barcelona, die dieses Konzept schon vor 15 Jahren erfolgreich übernommen haben. Warum sollte das beim BVB nicht auch funktionieren?
Die Antwort ist vielleicht nicht die Mentalität von BVB, sondern das System. Und damit ist nicht ein Spielsystem wie 4-4-3 gemeint, sondern das System, junge, sehr talentierte Spieler aufzubauen, und dann für viel Geld, an noch größere Vereine zu verkaufen. Das ist finanziell gesehen eine gute Sache, und jeder Fan möchte eine Situation wie 2005 vermeiden, aber es führt auch dazu, dass diese Spieler beim Unterzeichnen eines Vertrages, bereits wissen, dass sie nur 2 bis 3 Jahre im Westfalenstadion spielen werden, bevor es dann nach England oder Spanien geht.
Und ohne jemandem schlechte Arbeitsmoral zu unterstellen, es macht einen Unterschied, ob man sich voll mit der gelben Wand identifizieren kann, oder bereits vor dem ersten Spiel weiß, dass Manchester United ein Auge auf einen geworfen hat.
Der anfänglich gefeierte Ousman Dembele hat sich auch plötzlich ganz anders benommen, als Interesse aus Richtung Kataloniens kam. Plötzlich wurde gestreikt, und über die vorher gelobte Atmosphäre im Verein und im Stadion war angeblich auch nicht mehr so schön. Es geht sicher auch anders, wie Erling Haaland gezeigt hat, der bis zur letzten Minute alles gegeben hat. Aber hat er das, weil er der Mannschaft helfen wollte, oder weil er einfach gerne Tore schießt, unabhängig vom Verein? Schwer zu beantworten, aber es kann nicht einfach sein, ein echtes Team zu formen, wenn die Spieler unter 23 bereits mit Gedanken in einem anderen Stadion sind.
Werden die Trainer zu schnell entlassen?
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt sind die Trainer von Borussia Dortmund. Seit der sehr erfolgreichen Zeit unter Jürgen Klopp, hatte Borussia Dortmund sechs verschiedene Trainer. Die längste Phase hatte Klopps Nachfolger Thomas Tuchel, dessen Vertrag 3 Tage nach Gewinn des DFB-Pokals aufgelöst wurde. Danach kamen und gingen Trainer, von denen man sich viel erhoffte, aber nicht die gewünschten Resultate erbrachten. Aber diese entstehen nur, wenn man ein echtes Team bzw. eine Einheit formen kann, die zusammen Erfahrungen sammelt, um auch schwere Phasen überstehen zu können.
Fazit
Wie bereits erwähnt, ist das aus finanzieller Sicht für Borussia Dortmund positiv, und die Arbeit, die Michael Zorc, der im letzten Jahr zurückgetretene Sportdirektor, geleistet hat, war absolut erstklassig. Junge, noch unbekannte Talente zu finden, die dann zu Stars wurden, war seine Spezialität. Sein Nachfolger, Sebastian Kehl, wird diese Arbeit wahrscheinlich genauso fortsetzen, allerdings wird es dem Verein auf Dauer nur helfen, wenn man die jungen Spieler langfristig bindet. Sie benötigen eine Perspektive, und müssen vom Projekt BVB auf lange Sicht überzeugt sein, und nicht nur als Entwicklungsstufe. Natürlich müssen da auch die Berater mitspielen, und den Spielern vermitteln, dass eine große Karriere auf Dauer mehr wert ist, als das schnelle Geld. Hoffen wir auf das Beste.